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Josef Friedrich: Welcher Jahrgang sind Sie? |
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Wilhelm Ederer: 1931. In der 7.
und 8. Klasse hatte ich August Högn als Lehrer. Der 8. Jahrgang ist
1937 eingeführt worden, als ich in die Schule gekommen bin. Wir waren
der letzte Jahrgang der im 3. Reich Schulentlassung gehabt hat. 3 Wochen
später sind die Amerikaner gekommen.
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Josef Friedrich: August Högn ist dann
in Pension gegangen? |
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Wilhelm Ederer: Ja, er ist dann
in das Härtl-Haus gezogen, das dem Gemeindeschreiber Härtl gehört
hat. Und vorher hat er in der Wohnung gewohnt, wo jetzt Herr Lankes wohnt.
Und wenn man von hinten herein gegangen ist, kam zuerst das Lehrmittelzimmer.
Er hat uns den Schlüssel gegeben und gesagt: „Geht zur Rosl
und holt das und das.“ Oberhalb hat der Lehrer Ertl gewohnt.
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Josef Friedrich: Wie ist der Unterricht unter
August Högn abgelaufen? |
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Wilhelm Ederer: Ganz prima (ironisch).
Ein Heft, ein Bleistift und ein Radiergummi, das war unser ganzes Schulzeug.
Gelernt haben wir nichts. Er war Chorregent während des Krieges und
da waren die Leichenämter für die verstorbenen Soldaten, manchmal
in der Woche zwei. Er hat Orgel gespielt und wir waren Ministranten. Wenn
einer gefallen ist in Russland, dann war nur am Vormittag ein Gottesdienst.
Manchmal ist zum Kriegerdenkmal eine Abordnung mit sechs oder neun Mann
aus Deggendorf gekommen. Sie haben dann Salut geschossen, nicht jedes
Mal. Sie sind durch den Markt herauf marschiert und die beurlaubten Soldaten,
die da waren, quasi die Fronturlauber sind mit marschiert, mit Gewehren
und den Fahnen voran und natürlich die Musik voran. Da draußen
haben sie Salut geschossen, da war die weltliche Feier und danach war
der Gottesdienst für die Gefallenen und da hat der Högn Orgel
gespielt.
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Josef Friedrich: Und was hat die Klasse gemacht
in der Zwischenzeit? |
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Wilhelm Ederer: Die Größeren
haben aufgepasst und die Anderen sind heimgegangen. Bis der Högn
wieder da war, ist fast keiner mehr da gewesen. Und in der Pause ist er
manchmal den Auswärtigen mit dem Fahrrad nachgefahren. Wir Marktbuben
sind heimgegangen. Bis der Högn wieder gekommen ist, war überhaupt
keiner mehr da. Das war nicht regelrecht, ist aber vorgekommen. Wir haben
ja die Hälfte der Zeit keine Schule gehabt. Wir haben z. B Kohlenferien
gehabt, das war für die Norddeutschen, da haben wir Kartoffelferien
gehabt. Wenn sie keine Kohlen hatten, haben wir Kohleferien gehabt, weil
sie nichts gehabt haben zum Einheizen.
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Josef Friedrich: Das war aber doch ein Ausnahmezustand
wegen des 2. Weltkrieges? |
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Wilhelm Ederer: Nur der Einfluss
vom Krieg. Wir haben auch Kartoffelkäfer sammeln müssen, den
haben die Amerikaner absichtlich ausgesetzt, genau wie sie Flugblätter
abgeworfen haben und Lametta, Silberstreifen durch die sie den Funkverkehr
gestört haben. In unserer Klasse sind die Buben von der 7. und 8.
Klassen zusammen gewesen. 50 - 60 Leute. Ab der 7. Klasse sind die Buben
weg gekommen, dass sie nicht auf die Mädchen „fankerln"
konnten. Wir hatten den Högn.
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Josef Friedrich: Gab es einen festen Stundenplan? |
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Wilhelm Ederer: Ja, vom 10 bis
viertel nach 10 war Pause. Im Sommer ist die Schule um 8 Uhr angegangen
und im Winter eine viertel Stunde später um Viertel nach zehn. Im
Winter hat es oft zwei Tage geschneit, und die Kinder mussten bis von
Kleinried runter gehen. Von da oben waren 20, 30 Kinder. Die haben auch
früher gehen dürfen, wenn es stark geschneit hat oder ein Hochwasser
war. Im Klassenzimmer gab es einen Blechschirm vor dem Ofen, der mit Kleidung
der Kinder voll behangen war, wenn es geregnet hat. Damals hat es noch
keinen Anorak gegeben.
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Josef Friedrich: Eine Schulstunde war damals
60 Minuten lang? |
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Wilhelm Ederer: Ja genau, bis um
12 hatten wir Schule und dann nachmittags, das ist aber nicht lange gegangen,
bis zum Krieg halt. 1939 haben 3 Lehrer einrücken müssen, sie
waren Reserveoffiziere, beim Polenfeldzug haben sie einrücken müssen.
Während des Krieges waren nur 2 Lehrer da, der Lehrer Ertl und der
Högn, das andere waren alles Lehrerinnen und da waren zu wenige da,
wenn 50, 60 Kinder in einer Klasse waren. Du kannst dir vorstellen, was
da los war.
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Josef Friedrich: Wie hat der Högn dann
die Disziplin halten können? |
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Wilhelm Ederer: Das ist natürlich
ein Problem gewesen. Er hat halt wieder einen gepackt beim „Kravattl"
(Nacken) und hat ihn mit dem Kopf an die Tafel gestoßen. Der Högn
hat oft gesagt: „Merk dir das, du Lümmel, nimm die Kopfbedeckung
ab, wenn du in eine bedeckten Raum hinein gehst! Und sag bloß nicht,
dass du beim Lehrer Högn in die Schule gegangen bist, wenn du mal
über den Hochbühl hinauskommst.“ „Du ordinären
Hund, Du!“ Da ist keiner mit Glacé-Handschuhen angefasst worden.
[... Strafen von verschiedenen Lehrern ...]. Ja das ist der Högn
gewesen, der hat ja nach dem Krieg noch Schule gehalten. [... Berufsschule....]
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Josef Friedrich: Hat Högn Berufsschule
gehalten? |
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Wilhelm Ederer: Das war noch zu
Zeiten meines Vaters. Die Feiertagsschule, am Sonntag, nach der 7. Klasse
ist man in die Feiertagsschule gekommen, zwei Jahre lang. Da hat man sonntags
2 Stunden Unterricht gehabt.
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Josef Friedrich: Wie hat der Musikunterricht
beim Högn ausgesehen? |
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Wilhelm Ederer: Ja, haben wir schon
gehabt, haben schon gesungen, da haben wir Lieder gelernt, aber hauptsächlich
bei der Werner. Da hat ein jeder Lehrer ein Instrument spielen können.
Zumindest Geige. Ich weiß es von der Rosenbeck, von der Schneider,
die Ascherl hat am Chor gespielt, der Högn sowieso, der Lehrer Ertl
hat gut Klavier spielen können. Er hat im Gesellenverein Klavier
gespielt in der Pause. In der 8. Klassen haben wir dann überwiegen
die „Jungvolk"-Lieder gesungen von der HJ. Mit zehn ist man
zum „Jungvolk“ gekommen, mit 14 Jahren zur HJ. Wir wären
dann auch dazu gekommen, aber da war dann der Krieg aus. Die haben sie
ja mit 15, 16 Jahren eingezogen.
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Josef Friedrich: Jetzt eine andere Frage:
Hat es um 58 rum in Ruhmannsfelden einen Männergesangsverein gegeben? |
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Wilhelm Ederer: Ja, da war ich
auch dabei. Der ist im Schafferkeller abgehalten worden und gegründet
worden. Der Danziger war Chorleiter. Der Chor war nicht sehr alt. Er hat
sich auch bald wieder aufgelöst. Der Chor war gar nicht so schlecht,
man hat sogar an Wettbewerbe teilgenommen. Mitglieder waren der „Bibi",
der alte Bartaschek, Lippl Helmut, der alte Schweizer, Frisch Xaver. Im
Schafferkeller gab es ein Klavier und da ist geprobt worden. Im Kindergarten
gab es ein Harmonium und hier ist ein Klavier da gewesen.
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Josef Friedrich: Ich frag deshalb, weil der
Chor am 80. Geburtstag von Högn gesungen hat, 1958, da war Hans Czech,
Vorstand? |
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Wilhelm Ederer: Ja, das kann sein,
da war ich aber nicht mehr dabei. Ich war nur 2 - 3 Jahre dabei. Sie haben
immer sonntags geprobt. [... Danziger Franz, Bericht über den Stand
der Interviews ...] Der Kroiß Bräu aus Deggendorf war der Vater
der Inge Schlumprecht, dann hat die Högn den Schlumprecht geheiratet,
dadurch haben sie den Namen der Inge umschreiben lassen. Der Schlumprecht
war ein ganz hohes Viech. Die politische Einteilung der Bezirke war damals
so. Wir waren Ostbayern, Gau Bayreuth. Da ist der Gauleiter Wächtler
zuständig gewesen für den ganzen Gau hier bei uns. Wir hatten
auf der Uniform einen Schriftzug „bayerische Ostmark". Die B
85 hat nicht B 85 geheißen sondern Ostmarkstraße, die ist
gebaut worden unter Hitler. Als Kinder haben wir ja nichts anderes gelernt.
Wir haben jeden guten Fliegen, jeden Ritterkreuzträger, die ausgezeichnet
wurden mit Gold und Brillant und so weiter gelernt, wie der Mölders,
Galant, Admiral Deniz. Die sind im Kalender gestanden. Hauptsächlich
bei der Werner haben wir das gelernt. Sie war ein hundertprozentiger Nazi.
Wir hatten eine Kalender, da ist alles drin gestanden über Wehrmacht,
Luftwaffen und Heer. Manche haben einen Zettel mit heimgekriegt und dann
vor der Klasse einen Art Vortrag halten müssen, z. B. über den
General Mölders oder über den Admiral Deniz.
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Josef Friedrich: Gab es so was auch unterm
Högn? |
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Wilhelm Ederer: Nein, unter dem
Högn nicht. Da haben wir erst vor kurzem darüber geredet. Der
Högn und die Werner waren immer ein bisschen übers Kreuz. Der
Högn war von der Kirche und sie waren ein reiner Super-Nazi. Sie
hat das Kreuz vom Högn in den Garten raus geworfen. Da sind wir in
die Schule gegangen.
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Josef Friedrich: Hat der Högn das Kreuz
wieder ins Klassenzimmer gehängt? |
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Wilhelm Ederer: Der hat es nicht
mehr reingehängt. Die Werner hat den Hitler reingehängt. Da
hat sich der Högn immer zurückziehen müssen, obwohl er
Oberlehrer war, weil das politische einfach Vorrang hatte. Angenommen
er hätte die Werner verteufelt, dann wäre er ja geflogen.
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Josef Friedrich: Er hat sich also still gehalten
und er hat auch keine Sachen gemacht, wie die Werner mit den Fliegern? |
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Wilhelm Ederer: Ach, der Högn
war ja ein konservativer Mann. Das war ein Lehrer vom altem Schlag. Ich
hab schon mal zu ein paar Gemeinderäten gesagt. Alle Namen habt ihr
in der Straße, aber dass ihr dem Oberlehrer Högn eine Straße
widmet, das wäre doch angebracht. Im öffentlichen Bereich hat
er viel geleistet. War's im kirchlichen oder im schulischem. [...
Glockenfoto...] Zu einem unserer Mitschüler, ich will den Namen nicht
sagen, hat der Högn gesagt: „Du bist dümmer, als dem Peterbauer
sein Ochse!“ Solche Sachen hat er gesagt der Lehrer Högn. Das
muss man so sehen: Die Kinder haben vor der Schule hüten müssen.
Dann sind sie in die Schule gegangen, von der Schule heim, da ist ein
alter Gries auf dem Tisch gestanden und dann wieder raus auf die Weide
zum hüten. Wie sollen denn die da eine Hausaufgabe machen. Das war
eine halbe Kinderarbeit.
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Josef Friedrich: Und Hausaufgaben hat es
auch damals gegeben? |
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Wilhelm Ederer: Ja freilich. Und
Strafaufgaben haben wir bekommen. Da haben wir in eine Zeile gleich vier
Wörter hingeschrieben, dass die Tafel voll geworden ist. Und wenn
man sie nicht gehabt hat, hat man Tatzen bekommen. Zuerst hatten wir eine
Tafel und dann haben wir Hefte bekommen. [... Schiefertafeln...]
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Josef Friedrich: Sie wollten die Geschichte
mit dem „Teppich klopfen“ erzählten? |
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Wilhelm Ederer: Es hat während des
Krieges Vitamin C Tabletten gegeben, weil es keine Bonbons gegeben hat,
unter anderem ist auch das Knäckebrot aufgekommen. Da haben wir jeden
Tag eine Vitamin C Tablette bekommen. Da haben wir einmal, der Holler
Toni und ich, ins Lehrmittelzimmer gehen müssen zur Köchin Rosl.
Das Lehrmittelzimmer war im Högn seiner Wohnung, da sind seine Bücher
drin gewesen, die er gebraucht als Schulleiter. Unter anderem waren da
auch die Tabletten drin auf dem Kasten. Da habe ich zum Holler Toni gesagt:
„Jetzt gehst du zur Rosl und hältst sie ein bißchen auf"
Ich habe dann die Tabletten runter geholt und sie geklaut und in meine
Knickerbocker rein getan. Die Rosl hat nichts davon gemerkt. Dann sind
wir ins Klassenzimmer zurückgegangen und als wir wieder im Klassenzimmer
waren, auf einmal fällt mir die Tabletten aus der Hose. Da hat der
Högn mich gepackt und gesagt: „Friss, dass du genug kriegst."
Da sind alle möglichen Sachen passiert. Da bin ich mal auf den schönen
Birnbaum auf dem Schulgelände geklettert. Dann hat der Högn
mich gesehen und die Fenster des Schulzimmers aufgerissen. „Um Gottes
Willen Eder komm runter, du fällst mir vom Birnbaum runter."
Und dann haben wir auch Teppiche geklopft, die Teppiche aus seiner Wohnung.
Da war hinter uns ein Zwetschgenbaum und wir haben so geklopft, dass die
Zwetschgen vom Baum runter gefallen sind. Einen Hund hatte er auch der
Lehrer Högn, weil er auf die Jagd gegangen ist.
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