Nummer /interviews/2003-01-02_Barbara-Essigmann
Titel Interview mit Barbara Essigmann, 2.1.2003
Interview-Partner Barbara Essigmann
Geburtstag 1921-12-03
Todestag 2009-08-12
Alter 81
Beziehung zu Högn Schülerin und Sängerin unter August Högn
Ort Ruhmannsfelden
Datum 2003-01-02
Dauer 51
Wikicommons-Datei August_Högn_-_Interviews_05_Interview_mit_Barbara_Essigmann,_2.1.2003.ogg
aufgenommen true

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Josef Friedrich: (Bei der Ansicht von Handschriften von Högn) Högn hat alle Stimmen geschrieben? Es hat ihm keiner geholfen?

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Barbara Essigmann: Nein, da hat er keinen gebracht. Auf manche Sopran-Stimmen hat er dann geschrieben: „Babettl“ und auf die andere „Mathild".

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Josef Friedrich: Das „Ecce Sacerdos" hat er für einen Bischofsempfang geschrieben. Wann ist denn nach Ruhmannsfelden ein Bischof gekommen?

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Barbara Essigmann: Alle 2 - 3 Jahre zu Firmung.

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Josef Friedrich: Und die „Prozessionsgesänge" sind an Fronleichnam gesungen worden?

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Barbara Essigmann: Ja, bei der Prozession. Bei jeder Beerdigung gab es eine Prozession. Man hat den Sarg hergefahren bis zum Holler. Dann ist der Chor dazugekommen. Man ist zum Markt runter gegangen und dann wieder rauf und dann ist er ein Geistlicher dazu gekommen. Während der ganzen Zeit ist gesungen worden. „Repizorien" haben die lateinischen Gesänge geheißen, die alle der Högn geschrieben hat.

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Josef Friedrich: Wie lange hat ein solche Beerdigung gedauert?

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Barbara Essigmann: Die hat lange gedauert. Bei Pfarrer Bauer hat sie nicht so lange gedauert. Er hat immer gesagt: „Springen!“ Das hat dem Högn gar nicht gepasst. Manchmal ist er dann gesprungen und manchmal nicht, dann hat es halt lange gedauert.

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Josef Friedrich: Wann wurden die „Tantum ergo“ gesungen?

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Barbara Essigmann: Die wurden immer gesungen. [... Betrachtung der Grablieder ...] Das letzte Grablied hat Friedhofsglocken geheißen. Wie wir die Friedhofsglocken zum ersten Mal gesungen haben, hat der Schwannberger gesagt: „Gustl, wenn ich mal sterbe, diese Grablied kriege ich!“ Dann hat er gesagt: „Ja, das hebe ich für dich auf.“ „Friedhofsglocken rufen klagen, an der Mutter oder Vaters Grabesrand. Denn aus seiner lieben Mitte nahm der Tod seine letzte Hand. Ewige Ruhe gib, o Herr seiner Seele, und das ewige Licht leuchte ihm.“ Das Grablied ist schön gewesen! Vierstimmig haben wir es immer gesungen. Ja, da sind Männer dabei gewesen und Bläser.

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Josef Friedrich: Hat Högn die Texte selber gedichtet?

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Barbara Essigmann: Das hat er alles selber gedichtet. Er hat immer gesagt: „Kommt, ich habe wieder was geschrieben. Ihr müsst mir sagen wie es ist."

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Josef Friedrich: Wann sind die „Veni creator Spiritii“ gesungen worden?

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Barbara Essigmann: Die sind vor der Predit gesungen worden. Der Pfarrer ist nur im Chorrock herausgegangen und hat Weihwasser verspritzt. Dann ist er in die Sakristei gegangen und hat sich sein volles Messgewand angezogen. [... Anekdote mit der „Himmelfahrt" (Siehe 1. Interview am 27.12.2002) ....]

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Josef Friedrich: Als Lehrer hatten Sie den Högn auch?

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Barbara Essigmann: Ab der 4. Klasse bis ich aus der Schule gekommen bin. Der hat uns nicht mehr ausgelassen. Der Lehrer Friedrich wollte auch unsere Klasse, aber der Högn wollte nicht tauschen. Er war der Rektor. Von den ganzen Lehrern konnte keiner Orgelspielen, nur er. An Feiertagen oder Sonntagen hat er mit vollen Registern gespielt. Dem Pfarrer Bauer hat es gefallen, wenn der Högn mit vollen Registern gespielt hat. Ein Kooperator hat mal gesagt: „Wenn der Schwannberger einamtet, dann hebt es mich vorne am Altar.“ Der Schwannberger hat so viel Luft gebraucht.

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Josef Friedrich: War der Högn streng in der Schule?

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Barbara Essigmann: Zu den Buben in unserer Klasse war er streng. Als einmal in der Pause gerauft wurde, ist er so wütend geworden, dass er in die Höhe gesprungen ist und sogar einen Schuh verloren hat. Dann hat er zu uns Schüler gesagt: „Kinder, ich habe meinen Schuh verloren.“ Unsere Lausbuben, der Sauermann Franz, Rauch Sepp, Pongratz Rudl haben alles gemacht mit dem Högn, der hat sich alles gefallen lassen, aber wenn er wütend wurde, dann hat er sie übergelegt. Die Hose fest angezogen und sechs hinten hinauf. Der eine wie der andere. Sie haben anstehen müssen. Da haben sie sich gerieben und wir Mädchen haben geklatscht. Wir hatten mal eine Schülerin, die Beischmied Rosa: Die hat immer gesagt: „Jetzt lacht er wieder auf den Stockzähnen.“ Unsere Klasse hat sich alles erlauben dürfen beim Högn. Die Schüler des Lehrers Friedrich, Kestlmeier und Schultz haben sich nichts erlauben dürfen. „Ich darf dich ja nicht hauen", hat er oft gesagt, „sonst beschwert sich dein Vater und ich komme ins Zuchthaus.“ Aber übergelegt hat er sie oft. Er hat auch oft sein Heft genommen und so stark geschüttelt, dass alle eingelegten Blätter heraus gefallen sind.

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Josef Friedrich: Welche Lieder sind im Singunterricht gesungen worden?

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Barbara Essigmann: Wir haben alle Lieder gesungen, die es gegeben hat. Andere Lehrer haben oft Ausflüge mit ihren Schülern nach Gotteszell, Achslach oder auf den Hirschenstein gemacht und haben ein Brotzeit mitgenommen. Das hat es beim Högn nicht gegeben. Wir haben in der Schule singen müssen. Jeden Tag am Nachmittag ist eine Stunde gesungen worden. Er hat mit der Violine mitgespielt. Wenn ein Schüler nicht richtig gesungen hat, hat er ihnen den Geigenbogen auf den Kopf gehauen und gesagt: „Sei ruhig, du blöder Hammel, du hast ja eine Stimme, wie ein Ochs.“ „Habt ihr Ochsen daheim?" „Ja.“ „Dann gehst du in den Stall und singst mit den Ochsn." So ist er umgegangen mit den Buben. Er hat die Buben auch manchmal an Haaransätzen gepackt und nach oben gezogen.

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Josef Friedrich: Können Sie sich an bestimmte Lieder erinnern?

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Barbara Essigmann: Alle Lieder, die in einem Liederbuch drin waren. Mit „Hänschen klein" hat es begonnen.

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Josef Friedrich: Hat es einen Chor der Volksschule Ruhmannsfelden gegeben?

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Barbara Essigmann: Nein.

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Josef Friedrich: Hat man im Sitzen gesungen?

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Barbara Essigmann: Wir haben stehen müssen. Er hat immer gesagt: „Wenn man steht, dann kann die Lunge besser atmen. Im Sitzen kann man nicht singen.“ Wir haben ja in der Kirche auch stehen müssen, auch bei der Probe. Das hat damals der Schroll schon eingeführt. Der war Chorregent und sonst war er Gemeindesekretär. Der Schroll ist mit 36 Jahren gestorben. Er hat eine Lungenentzündung bekommen. Der Schroll war 2 Jahre mit einer Nichte vom Zattler verheiratet. Dann hat er die Chorsängerin Koadmühl Hedi (Grassl) kennengelernt. Bei dem weiten Weg von der Koadmühle zur Kirche im strengen Winter, hat er sich wahrscheinlich erkältet. Die Ruhmannsfeldener Kirche war nicht geheizt und es wurden trotzdem sehr lange Messen abgehalten. Es war im Winter oft so kalt, dass wir die Noten in die Orgel eingezwickt haben, dass wir uns die Hände reiben konnten. Und die Oberlichte der Orgelempore war kaputt. Der Sauermann Franz hat uns zwar eine kleine Leiter gebaut, um das kleine Fenster zu schließen, aber das Oberlicht ist bald wieder aufgesprungen. Der Schroll war noch zwei Tage im Krankenhaus und ist dann aber gestorben. Die Beerdigung war in Kollnburg. [... genaue Beschreibung der Beerdigung ....]

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Josef Friedrich: Als der Schroll Chorregent war, was hat dann der Högn gemacht?

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Barbara Essigmann: Der hat Orgel gespielt und das war dem Schroll recht, dann hat er dirigieren können. Unter der Woche hat dann der Schroll Orgel gespielt.

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Josef Friedrich: Hat der Schroll Kompositionen vom Högn aufgeführt?

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Barbara Essigmann: Ja, er ist oft zum Notenschrank gegangen und hat herausgeholt, was der Högn geschrieben hat. Manchmal wurden auch neue Sachen gekauft. Der Pfarrer Bauer hat zum Schwannberger oft gesagt: „Rudolf, du könntest wieder eine Messe kaufen, wir haben überhaupt nichts mehr, nur die alten Sachen." „Ja, ich kaufte eine.“ Dann hat er eine Messe gekauft. Die ist aber auch nichts gewesen. Der Högn hat die Stimmen wieder anders geschrieben, ausgebessert und was Neues geschrieben. Weil wir nichts mehr hatten. Das hat er dann angefangen, als er in Pension war. Er ist alt geworden. So eine Beerdigung und Überführung habe ich noch nicht erlebt. Ich hätte weinen können. Obwohl er so viel für die Kirche getan hat, waren keine 5 Leute in der Überführung. Es waren auch sehr wenige in der Beerdigung. Wenigsten die Vereine hätte sich zusammentun und nach Deggendorf fahren können.

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Josef Friedrich: In Ruhmannsfelden haben doch die Rauscher-Buben gewohnt?

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Barbara Essigmann: Ja, die zwei Rauscher Buben. Der Ludwig und der Siegfried das waren Musiker. Max Rauscher, auch ein Bruder zu ihnen, war Chorregent in Simbach am Inn. Der hat auch den Chor in Ruhmannsfelden geleitet. Das war noch unterm Pfarrer Fahrmeier. Das war ein ganz ein schlimmer. Zu dieser Zeit hat auch die Koadmühl Anne im Kirchenchor gesungen. Das war eine sehr gute Sängerin. Der Schroll hat zu uns immer gesagt, wir sollen mit Kopfstimme singen, nicht einfach raus schreien. Die Koadmühl Anne hat das wahnsinnig gut beherrscht. Die hat wie eine ausgebildete Sängerin gesungen. [... Begegnung mit dem Chorregenten Max Rauscher ...] Die beiden Rauscher-Buben haben auch mitgesungen. Der Ludwig Rauscher hatte eine Stimme, als wie wenn er immer heiser gewesen wäre. Die beiden haben oft mit der Violine mitgespielt. Der Högn hat oft gesagt: „Heraus mit den Instrumenten, die müssen wir heute hören."

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Josef Friedrich: Haben die beiden auch Solo-Stücke gespielt?

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Barbara Essigmann: Ja, bei der Wandlung. Ob der Högn für Streicher rein instrumentale Stücke komponiert hat, weiß ich nicht. [... Koadmühle Anne ...] Der Gustl, der Sohn vom Högn, hätte auch mitsingen sollen. Aber wollte nicht und ist lieber zum Sturm gegangen, wo er auch gelernt hat. Die Frieda Högn war zu der Zeit schon zu alt und war ja schon mit dem Herrn Schlumprecht verheiratet. Aber wenn die Frieda da war, dann hat sie mitgesungen. Dann hat sie sich nah zur Orgel hin stehen müssen, damit der Vater es auch gehört hat, wie sie gesungen hat. Da hat er dann eine Freude gehabt.

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Josef Friedrich: Hat Högn auch Stimmübungen mit den Sängern gemacht?

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Barbara Essigmann: Die sind auch gemacht worden. Immer zuvor. Jeden Sonntag war um 2 Uhr eine Messe. Da ist zuerst das Tantum ergo gesungen worden, dann war die Messe und am Schluss ist immer ein Lied z. B. ein Marienlied gesungen worden. Die Messe war dann um 15:30 oder sogar erst um 16 Uhr aus. Manchmal hat der Högn dann gesagt: „Mädchen, bleibt's da!“ Und wir mussten dableiben, zum Proben. Wir wollten natürlich Spazierengehen oder ähnliches machen. Einmal habe ich sogar geweint. Um 2 Uhr sind wir in die Kirche rein gegangen und um 5 Uhr wieder raus gekommen.

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Josef Friedrich: Wenn was Neues gelernt wurde, hat Högn dann die neuen Lieder vorgesungen oder am Klavier vorgespielt?

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Barbara Essigmann: Er hat uns zuerst am Klavier das neue Stück vorgespielt. Zuerst haben wir Stücke von anderen Komponisten gesungen, dann seine Kompositionen. Er hat vorgespielt, dann einen Ton angegeben und dann ist es losgegangen.

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Josef Friedrich: Hat Högn auch manchmal mitgesungen?

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Barbara Essigmann: Ja, er war Tenor. Er hatte eine schöne Stimme. Einmal haben wir dem Schwannberger zum Geburtstag ein Ständchen gesungen, ein Jäger-Lied. Der Högn hat ja so viele Jägerlieder komponiert. Wir haben auch in der Schule Jägerlieder von ihm gesungen. Wo nur die Jägerlieder hingekommen sind? Vielleicht hat er sie nach Deggendorf zum Goller gebracht.

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Josef Friedrich: Waren das einstimmige oder mehrstimmige Lieder?

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Barbara Essigmann: Mehrstimmig, 1. und 2. Stimme und Bass. Auch in der Schule sind sie mehrstimmige gesungen worden mit Tenor und Bass. Unsere Buben in der Schule haben auch singen müssen. Er hat oft geschrieen: „Mach dein Maul auf.“ Zum Sauermann Franz hat er immer gesagt: „Salomons Weisheit.“ Er hat nicht lesen, nicht schreiben, er hat gar nichts gekonnt. „Für was bist du auf der Welt? Du kannst nicht lesen, nicht schreiben, du bist saublöd.“ Dann hat er ihn noch eine auf das Hirn gegeben. Aber singen haben sie können unsere Buben. Dreistimmig haben wir immer gesungen. Er hat sich vor die Buben hingestellt und einen Ton angegeben mit der Violine. Einmal hat es geklopft und der Högn musste vor die Türe raus. Da hat der Rauch Sepp die Violine genommen und versucht darauf zu spielen. Er hat dabei einige Saiten abgerissen. Dann ist der Högn wieder gekommen und wir mussten aufstehen und er hat uns einen langen Vortrag gehalten, dass sich im Stehen die Lungen besser weiten. Als er die Violine dann genommen hat, ist er in die Luft gesprungen vor lauter Wut. Im Winter wollten wir oft Schlitten fahren, wie alle anderen Klassen auch. Er hat uns nicht Schlittenfahren lassen. Wir mussten stattdessen singen. [... der geistig behinderte Schierer Wuckal aus Muschenried, Brandstifter ...]

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Josef Friedrich: Wussten Sie es dass August Högn eine Geschichte von der Feuerwehr geschrieben hat, die der Pfarrer Reicheneder abgetippt hat.

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Barbara Essigmann: Der Pfarrer Reicheneder und der Högn haben nicht zusammen gepasst. Die sind wie Hund und Katze gewesen.

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Josef Friedrich: Wie hat sich Högn mit dem Pfarrer Fahrmeier verstanden?

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Barbara Essigmann: Mit allen hat er sich verstanden. Da hat es nichts gegeben. Mit dem Pfarrer Bauer hat er sich sehr gut verstanden. Die beiden haben sich oft vor dem Leichenzug bei der Sakristei so lange unterhalten, dass die Leute schon gewartet haben. Obwohl der Pfarrer Fahrmeier ein böser Pfarrer war, hat es keine Probleme gegeben. Ich hatte den Pfarrer Fahrmeier auch in der Schule. Er war zuletzt in Deggendorf.