1 |
Josef Friedrich: Sie waren Sängerin
im Kirchenchor unter August Högn? |
2 |
Barbara Essigmann: Ja, 34 Jahre
lang. Als ich 14, 15 Jahre alt war, bin ich zum Högn in die Schule
gekommen und dann hat er mich gleich zum Kirchenchor genommen.
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3 |
Josef Friedrich: Sie haben in der Schule
gut singen können? |
4 |
Barbara Essigmann: Ja, ich war Sopran,
habe aber auch Alt gesungen. Uns waren ja viele beim Kirchenchor. Die
ganze Lehrerschaft. Der Kestlmeier noch. Das sind die alten Schullehrer
gewesen, die sind alle in die Kirche gegangen.
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5 |
Josef Friedrich: Können Sie die Namen
der Lehrer noch? |
6 |
Barbara Essigmann: Der Lehrer Schultz,
der Lehrer Kestlmeier, die sind alle schon gestorben, ja der Lehrer Högn.
Dann haben wir einen Chorregenten gehabt, der hat Schroll geheißen,
aus Kollnburg, der hat Orgel gespielt und der Högn hat dann dirigiert.
Der Chorregent Schroll ist in den 30iger Jahren gestorben und dann hat
alles der Högn übernommen. Er hat dann Orgel gespielt und hat
dann Takt gegeben. Wenn Sonntag oder Feiertag war, waren die Lehrer da
und dann hat einer von ihnen Takt gegeben.
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7 |
Josef Friedrich: Kennen Sie sich noch
an ein paar Chorsänger erinnern? |
8 |
Barbara Essigmann: Von den Alten:
Holzfurtner, ein Schreiner, der Schwannberger, von den Lehrer: der Friedrich,
Schultz und Kestlmeier. Die Lehrer waren alle am Kirchenchor. Sogar oft
zweimal am Tag: In der Frühmesse und beim Hochamt. Die Frühmesse
war um 7 und das Hochamt war um 10 Uhr. Chorsängerinnen hatten wir
auch viele. Vier, fünf Sängerinnen waren immer da. Stadler Hilde
war eine Alt-Sängerin. Die Raster Res war auch eine Alt-Sängerin.
Die Hetzenecker Maria, sie lebt auch noch und wohnt jetzt in Deggendorf.
Eine von Zachenberg, weiß aber ihren Namen nicht. Sopran-Sängerinnen
waren: Glasschröder Mathild, ich, Frau Kaminkehrer Grassl, Hedi hat
man sie genannt. Dann Grassl Nannerl, ist auch schon gestorben. Alt-Sängerin
war Frau Lehrerin Ascherl, Stadler Hilde eine ganz gute Sängerin
|
9 |
Josef Friedrich: Sie haben gesagt, sie haben
30 Jahre im Kirchenchor mitgesungen. Wann haben Sie dann genau aufgehört? |
10 |
Barbara Essigmann: Wie der Pfarrer
Reicheneder gekommen ist, habe ich aufgehört. Da ist der Chor gewesen
wie sonst auch und es war an einem Samstag kurz vor Weihnachten um 3 Uhr,
da hat der Reicheneder dem Högn einen Brief geschrieben, dass er
schon zu alt ist, er soll jetzt aufhören, er braucht ihn nicht mehr,
er hat jetzt junge Sänger. [... Beischmied Karl und Verwandtschaft
...] Dann ist die Högn Rosl (Rosa Beischmied) gekommen, sie war die
Köchin, und hat dann gesagt: „Komm schnell, der Herr sitzt auf
dem Kanapee und kann nichts mehr sagen und er zittert so.“ Dann bin
ich gleich zu ihm gegangen, Glasschröder Mathild war auch dabei.
Es hat ihn ein bisschen getroffen. Am Vormittag hat ers ihm gesagt und
am Abend hat es ihn schon getroffen. Aber der Schwannberger hat ihn sofort
nach Regensburg gefahren zu einem Arzt. Der Arzt hat ihn gefragt: „Was
sind Sie denn im Beruf gewesen.“ „Das ganze Leben war ich ein
Schullehrer“ „Ach, was man da mit den Kindern mitmacht"
„Nein, die Kinder haben mir gar nichts ausgemacht, ich bin immer
gut mit ihnen ausgekommen, aber wir haben jetzt einen Pfarrer bekommen
und nach 40 Jahren habe ich gehen müssen.“ Er hat nie ein Fünferl
bekommen. Dann hat er uns das gesagt. Und ich sag es ihnen, seit dieser
Zeit gehe ich an Weihnachten nicht mehr in die Kirche. Wir habe nichts
gekommen für unsere Dienste, wir haben es zu Ehre Gottes gemacht.
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11 |
Josef Friedrich: Und wer wurde dann Nachfolger
von August Högn? |
12 |
Barbara Essigmann: Das weiß
ich gar nicht. Jetzt ist es Herr Lankes.
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13 |
Josef Friedrich: War nicht der Herr Danziger
Nachfolger von August Högn? |
14 |
Barbara Essigmann: Der hat auch
gehen müssen. Herr Danziger war Jude. Er war Tenor. Wie der Högn
gegangen ist, ist es der Danziger noch gewesen, aber dann haben Sie gleich
einen Chorregenten gekommen. Ich weiß aber nicht mehr, wer das war.
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15 |
Josef Friedrich: Man hört auch immer
von einer Frl. Maria? |
16 |
Barbara Essigmann: Ja, Frl. Maria,
die war nett. Sie hat immer das Altöttinger Blatt jeden Monat vorbeigebracht,
die war einmalig. Der Reicheneder hat mich immer fleißig gegrüßt
und hat den Hut gezogen und ich habe mir gedacht: „Leck mich am Arsch."
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17 |
Josef Friedrich: Können Sie sich an
Werke von August Högn erinnern? |
18 |
Barbara Essigmann: Ja, er hat viele
Messen komponiert, Marienlieder und alles. Da hab ich so viele gehabt,
die habe ich alle hergeschenkt. Der Maria Hetzenecker in Deggendorf habe
ich Noten gegeben und sie hat die Noten, als ganzen Chorsatz, dann an
den Chorregenten Goller weitergegeben. Wenn ich gewusst hätte, dass
Sie sich dafür interessieren, hätte ich die Noten für Sie
aufgehoben.
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19 |
Josef Friedrich: Ich habe ja doch einige
Kompositionen von August Högn gefunden, darunter drei Messen z. B.
die Josephs-Messe |
20 |
Barbara Essigmann: Ja, die Josephs-Messe.
Die hat Högn für den alten Doktor Stern geschrieben.
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21 |
Josef Friedrich: Ich habe auch 2 Marienlieder
von August Högn, Marienlied Nr. 3 und Marienlied Nr. 11. Waren die
Marienlieder alle durchnummeriert? |
22 |
Barbara Essigmann: Ja, die waren
alle durchnummeriert.
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23 |
Josef Friedrich: Und 4 Grablieder. |
24 |
Barbara Essigmann: Ja, an ein Grablied
kann ich mich noch erinnern. „Ewige Ruhe schenkt der Herr seiner
Seele“ und zum Schluss: „und ewige Ruhe gib er der Seele..."
Ich weiß es nicht mehr. Da hat der Schwannberger auch manchmal mitgesungen.
Er ist in der Beerdigung mitgegangen und hat eingesagt. Er hat ans Fenster
geklopft und gesagt: „Babettl, um die und die Zeit ist Probe"
Und dann sind wir da gewesen, da hat es gar nichts anderes gegeben. [...
Rudolf Schwannberger ...]
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25 |
Josef Friedrich: Wann sind die Högn-Messen
z. B. die „Laurentius"-Messe oder die „Mater-Dei"-Messe
aufgeführt worden? |
26 |
Barbara Essigmann: Wahrscheinlich
während des Krieges. Geschrieben hat Högn ja immer. Er ist vorm
Fenster gesessen und hat geschrieben. Und wenn man gesagt hat: „Herr
Rektor, was schreiben sie denn.“ „Ja, eine Messe brauchen wir
wieder!"
|
27 |
Josef Friedrich: Wo hat er denn dann eigentlich
gewohnt? |
28 |
Barbara Essigmann: Wo jetzt die
Firma Schwannberger drin ist. Dem Herrn Härtl hat das Haus früher
gehört. Herr Härtl hat oben gewohnt und der Högn unten.
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29 |
Josef Friedrich: Vor der Straße aus
hat man in August Högns Arbeitszimmer gesehen? |
30 |
Barbara Essigmann: Ja freilich!
Da hat er das Fenster aufgemacht und dann gerufen: „Komm herein!"
Und wenn man dann bei ihm im Haus war: „Was gibt es, Herr Rektor."
„Da schaut her, jetzt hab ich wieder was geschrieben, das müssen
wir bald probieren"
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31 |
Josef Friedrich: Und hatte er ein Klavier
in seinem Zimmer? |
32 |
Barbara Essigmann: Ja, er hatte
ein Klavier, und wenn dann eine Messe fertig war, ist in seine Wohnung
zuerst der Sopran gekommen, dann der Alt, der Tenor und dann der Bass.
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33 |
Josef Friedrich: Sind dann auch alle zusammen
in seine Wohnung gekommen? |
34 |
Barbara Essigmann: Nein, da sind
wir dann in die Kirche gegangen zwischen 8 und 9 Uhr abends, sogar mit
Musik, die zwei Rauscher-Buben mit Violinen, der Ludwig und der Siegfried.
An Feiertagen waren die immer da.
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35 |
Josef Friedrich: Es gab aber noch mehr Musiker? |
36 |
Barbara Essigmann: Ja freilich.
Die Musiker der bekannten Ruhmannsfeldener Blaskapelle, Heinrich Wiggerl,
Schlagintweit Lorenz, Schwarz Sepp, er war Schuster und ist gefallen,
Ebnet Erich, Kammerl Gang. Das war noch unter dem Pfarrer Bauer. Der ist
ja so stolz gewesen, wenn Musiker da waren. Vor dem 10 Uhr Hochamt hat
er dann zu uns Chorsänger oft gesagt: „Gell, überspringt
mir fei was, sonst dauert es so lange! Die Leute müssen ja zum Schweinern
heim.“ Als Belohnung gabs für die Chorsänger manchmal Obst
aus dem Pfarrgarten. Da war er schon einmalig der Pfarrer Bauer. Ja, aber
der Reicheneder hat dann den Högn ausgestellt. Da hat August Högn
zu letzt nicht mehr recht reden können, wie es ihm getroffen hat.
|
37 |
Josef Friedrich: Ist August Högn nach
diesem Zwischenfall noch in die Kirche gegangen? |
38 |
Barbara Essigmann: Nein, überhaupt
nicht mehr. Er hat auch nicht mehr richtig gehen können. Er hatte
ein Stock und hat den Fuß nachgezogen.
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39 |
Josef Friedrich: Er hatte also einen Schlaganfall?
Wann ist das genau passiert? |
40 |
Barbara Essigmann: Wie ihm Herr Reicheneder
einen Brief geschrieben hat, dass er nicht mehr in die Kirche gehen braucht.
[... ähnliche Schilderung des Vorfalls wie oben ...] Der Umgang am
Kirchenchor war recht kameradschaftlich. Wir sind alle per Du gewesen.
Wir habe auch zum Lehrer Kestlmeier „Valentin“ oder „Vali"
gesagt. Am Chor war es dann immer ganz voll. Mit den Musikern waren wir
viele Leute. Auch der rothaarige Lehrer Gruber hat mitgesungen. Er hat
Tenor gesungen. Der Schwannberger und der Holzfurtner haben Bass gesungen.
Und wenn keine Musiker mitgespielt haben, dann haben die Musiker mitgesungen.
Ich glaube, dass wir oft dreißig Leute waren.
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41 |
Josef Friedrich: Ich habe mir die Kompositionen
von August Högn angeschaut und es ist oft so, dass Blechbläser
bei gewissen Stellen mit dem Chor mitspielen. Waren die Blechbläser
da nicht zu laut? |
42 |
Barbara Essigmann: Nein, die haben
sich zurückgehalten und Högn hat den Musikern manchmal auch
eine Zeichen gegeben, wenn sie leiser spielen sollten.
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43 |
Josef Friedrich: Sind die Kirchenchorproben
auch manchmal im Pfarrheim abgehalten worden? |
44 |
Barbara Essigmann: Im Pfarrheim
nicht, weil es das Pfarrheim damals noch gar nicht gegeben hat. Damals
war das Pfarrheim noch ein Stall. Wir haben zuerst beim Högn jede
Stimme einzeln in seinem Arbeitszimmer geprobt. Im dem Zimmer war ein
Klavier, sein Bett, ein Tisch mit Stühlen und ein Bild von seinen
Eltern. Manchmal waren auch Sängerinnen aus Patersdorf da.
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45 |
Josef Friedrich: Wann fanden die Proben mit
den kompletten Chor statt? |
46 |
Barbara Essigmann: Nach den Proben
für jede einzelne Stimme, sind wir mit dem ganzen Chor in die Kirche
gegangen.
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47 |
Josef Friedrich: Hat man nur auf bestimme
Anlässe hin geprobt oder wurde regelmäßig z. B. jede Woche
geprobt. |
48 |
Barbara Essigmann: Nein. Man hat
geprobt, wenn Högn etwas komponiert hat. Högn ist zu mir gekommen
und hat ans Fenster geklopft und gesagt: „Gell, Babettl, am Nachmittag
kommst du. Ich hab wieder was komponiert, das musst du gleich probieren."
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49 |
Josef Friedrich: Sind auch Werke von anderen
Komponisten aufgeführt worden? |
50 |
Barbara Essigmann: Eigentlich nicht.
Nur seine Werke.
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51 |
Josef Friedrich: Hat er auch bei einem Gottesdienst,
bei dem nicht der Kirchenchor gesungen hat, Orgel gespielt? |
52 |
Barbara Essigmann: Nein, das gabs
noch nicht. Aber er war immer da und hat jeden Tag in der Früh zur
Messe Orgel gespielt.
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53 |
Josef Friedrich: Hat sonst noch jemand Orgel
gespielt außer Högn? |
54 |
Barbara Essigmann: Ja, den Herr
Danziger weiß ich noch und den Herrn Schroll, er ist mit 36 Jahren
an Lungenentzündung gestorben. Sonst war keiner mehr da, der Orgel
gespielt hat. Da war immer er da und dann hat er so gehen müssen.
„Ich hab meine Pflicht getan“ hat er gesagt, „der Herrgott
wirds schon wissen.“ Dann hat er geweint, weil er nicht mehr in die
Kirche gehen darf.“ Er hat jetzt vierzig Jahre Dienst gemacht, jetzt
darf er zu Hause bleiben.“ Das ist eine Gemeinheit gewesen vom Pfarrer
Reicheneder.
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55 |
Josef Friedrich: Und haben Sie August Högn
nach seiner Entlassung öfter besucht? |
56 |
Barbara Essigmann: Ja, wir sind
jeden Tag zum August Högn gegangen. [... Ähnliche Schilderung
wie 30 ...] Er hat ja viel komponiert. Ich weiß nicht, wo diese
Sachen hingekommen sind. Es ist viel verloren gegangen. Mathild und ich
sind sogar in die Kirche gegangen, wie Högn den Brief bekommen hat,
und haben alles mitgenommen, was vom Högn da war und haben es seiner
Köchin Rosl gegeben: „Rosl heben sie das gut auf, das ist noch
vom Herrn.“ Und die Rosl hat das wieder in die Kirche rein getragen
und dann ist das verloren gegangen.
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57 |
Josef Friedrich: Ja einige Kompositionen
waren aber trotzdem in der Kirche aufzufinden. Haben Chorsänger ihre
Stimme mit nach Hause bekommen? |
58 |
Barbara Essigmann: Nein, wir haben
nichts mit nach Hause bekommen, das ist alles im Kasten geblieben. Zuletzt
(nach Högns Entlassung als Chorregent) haben wir ein paar Messen
von Högn, darunter eine Josephi-Messe, mitgenommen und der Hetzenecker
Maria gegeben, sie soll es ihrem Chorregent in Deggendorf, Goller hat
er geheißen, geben. Der hat viel bekommen. August Högn hat
ja den Goller auch gekannt. Goller ist oft nach Ruhmannsfelden gekommen,
da hat er immer den Högn besucht. Die waren ja beide Deggendorfer.
Die haben sich ja gekannt von der Jugend her schon. August Högn ist
oft während der Schule nach Deggendorf gefahren. Da haben wir Schule
halten müssen, bis er wieder gekommen ist. Da hat ihn ein Chauffeur
vom Schwannberger gefahren. Der alte Högn (von der Buchhandlung)
und er, das waren ja Brüder. Da hat er alles bekommen, was er gebraucht
hat, Blätter und Notenpapier und dann hat er natürlich wieder
geschrieben.
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59 |
Josef Friedrich: An was ist August Högn
gestorben? |
60 |
Barbara Essigmann: Der war ja weit
in den Achtzigern. An Altersschwäche.
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61 |
Josef Friedrich: War er lange vor seinem
Tod schon krank oder ist er plötzlich gestorben? |
62 |
Barbara Essigmann: Das ist plötzlich
gekommen. Er hat halt den rechten Fuß nachgezogen, aber wenn man
dazugekommen ist, hat er sich mit dem Arm bei mir eingehängt und
hat oft gesagt: „Ein bisschen geht es schon noch, wenn auch nicht
mehr so wie früher.“ „Ja, ja Herr Rektor, Hauptsache noch
ein bisschen.“ „Aber recht lange wird es nicht mehr dauern."
„Nein, nein, lassen Sie bloß nicht den Stock aus der Hand."
„Ja, du hast schon Recht.“ Wie der Högn gestorben ist,
war das für mich, wie wenn mein Vater gestorben wäre.
|
63 |
Josef Friedrich: Gab es dann eine große
Beerdigung? |
64 |
Barbara Essigmann: Da waren uns
fünf. Er ist nach Deggendorf überführt worden, weil dort
auch seine Frau beerdigt worden ist. Da waren keine drei Leute bei der
Überführung. Von der Schule war er weg, die Jungen haben ihn
überhaupt nicht gekannt und wer geht von den Alten noch. Da waren
die Glasschröder Mathild und ich und die Frau Härtl, vom Sekretär
Härtl, denen das Haus gehört hat und noch eine oder zwei andere.
Und dann sind wir mitgegangen bis zum Kramhöller Michal und dann
ist das Auto weggefahren. Die Beerdigung war in Deggendorf, da sind uns
ein Paar gewesen von Ruhmannsfelden. Aber da waren auch keine fünf,
sechs Leute. Wer ist denn nach Deggendorf gefahren in die Beerdigung?
Ich Ruhmannsfelden war gar nichts. Der Reicheneder hat ihm nichts gehalten.
Der hat es dann doch gemerkt, was er getan hat: Einen solchen Mann tut
man ja nicht von der Kirche weg, wenn er auch den Fuß etwas nachgezogen
hat. Wie uns Högn den Brief hingelegt hat, hat er gesagt: „Jetzt
muss ich euch was zeigen: Ich habe böse Buben gehabt in der Schule,
aber ich habe keinen gehaut, aber der (Pfarrer Reicheneder) hat mich von
der Kirche rausgeworfen. Da war er so erledigt, da hat er, meine ich,
oft in der Nacht geweint. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was
dieser Mann mitmachen hat müssen. Der ist ja aufgewachsen in der
Kirche. „Ich bin in Deggendorf gewesen und dann bin ich nach Ruhmannsfelden
gekommen“ und er hat sofort den Kirchenchor übernommen, weil
er lauter Musik war, „und der Lackel hat mich jetzt rausgeschmissen."
Wenn man sich das vorstellt, dass ein Lehrer sagt „der Lackel."
„Den Brief“ hat er gesagt, „stecke ich mir hinter den Spiel,
den hebe ich mir auf.“ Wir haben immer gesagt: „Tun sie den
Brief weg, vergessen sie es.“ „Nein", hat er gesagt, „dass
kann man nicht vergessen. 40 Jahre war ich auf dem Chor und der Lackel
hat mich rausgeschmissen."
|
65 |
Josef Friedrich: August Högn hatte zwei
Kinder? |
66 |
Barbara Essigmann: Die Frieda und
der Gustl. Der Mann von der Frieda war Oberbürgermeister von Bayreuth
und der ist jedes Weihnachten gekommen. Der Högn hat dann immer gesagt:
„Mädchen kommt, am Abend ist der .... wie hat er jetzt seinen
Schwiegersohn, den Oberbürgermeister von Bayreuth genannt? Die waren
ja wie zusammengeschweißt. Der Schwiegersohn hat den Vater gemocht
und der Vater den Schwiegersohn. Am heiligen Abend ist er dann wieder
heimgefahren und am 2. Weihnachtsfeiertag war er wieder da, der Schlumprecht.
|
67 |
Josef Friedrich: Hatte Frau Schlumprecht
dann Kinder? |
68 |
Barbara Essigmann: Ja, die Lilo
....., das weiß ich jetzt nicht mehr.
|
69 |
Josef Friedrich: Hat nicht eine Tochter Inge
geheißen? |
70 |
Barbara Essigmann: Das war die
Tochter vom ersten Mann, dem Bierbrauer Hans Kroiß aus Deggendorf,
der ist recht reich gewesen. Die Frieda hat sich dann scheiden lassen.
Die Högn Frieda hat dann die Inge ledig gehabt. Sie hat dann den
Rechtsanwalt Schlumprecht geheiratet, der ist lange in Bayreuth gewesen.
Die Inge hat sich mit ihrer Mutter nicht verstanden. Wie der Umsturz war,
sind da kistenweise Möbel gekommen, Pelzmäntel und Kleider,
was sie halt alles noch fortschaffen konnten, bevor die Amerikaner gekommen
sind. Mathild und ich haben geholfen und haben die Kisten im Pfarrhof
im Stall hinaufgetragen, da haben die Amerikaner es doch nicht so erwischt.
Später, wie es wieder normal war, haben sie es wieder geholt. Und
weiß ich, als Inge so 13, 14 Jahre alt war, hat sie zum Großvater
gesagt: „Großpapa, lass mich reinschauen, was in den Kisten
von meiner Mama drin ist.“ Dann hat sich die Inge einen Pelzmantel
und paar Kleider herausgenommen: „Das lass ich mir ändern."
|
71 |
Josef Friedrich: Und die Inge habe Sie auch
gut gekannt? |
72 |
Barbara Essigmann: Ja, die Inge
war ja lange da in Ruhmannsfelden. Wie Frieda vom Kroiß weg war
und beim Schlumprecht war, hat der Högn die Inge zu sich genommen.
Die Inge ist hier in die Schule gegangen. Sie war ja lauter Opa.
|
73 |
Josef Friedrich: Und dann war noch ein Sohn da,
der Gustl? |
74 |
Barbara Essigmann: Ja, der Gustl.
Er war verheiratet mit einer schönen Frau und hatte auch Kinder.
Der Frau ist eine große Schublade auf den großen Zeh gefallen
und sie hat daran sterben müssen. Dann hat er die 2. Frau geheiratet,
das war von der ersten Frau die Cousine. Die haben eine große Gärtnerei
gehabt, da bei Bayreuth oder Kronach. Aber die Ehe ist nichts gewesen.
Der Högn Gustl war ein Luftikus. Wenn Fasching war, war der Högn
Gustl dabei. Da hat der alte Högn gesagt: „Da ist er der erste,
aber in der Schule war er saudamm.“ Er war ein Schlosser. Er war
Pilot bei den Fliegern im 2. Weltkrieg. Zwei Mal ist er abgeschossen worden
und jedes Mal ist er wieder durchgekommen.
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75 |
Josef Friedrich: Und wer hat die Wohnung
vom August Högn nach seinem Tod ausgeräumt? |
76 |
Barbara Essigmann: Das weiß
ich nicht mehr. Die Högn Rosl (Rosa Beischmied) hat dann manches weggegeben.
Der Sauermann Franz hat das Kanapee gekommen und zwei oder drei Stühle.
Der Sauermann Franz hat ja nebenan gewohnt. Der Högn hat schöne
Möbel gehabt.
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77 |
Josef Friedrich: War es eine schöne
Wohnung? |
78 |
Barbara Essigmann: Ja, er hatte
eine Küche, da war ein schöner Diwan drin, ein Küchentisch,
drei Sessel und ein Küchenschrank und eine Kredenz. Die Küche
war nicht groß. Im Wohnzimmer hat er geschlafen. Da war's
Klavier drin, eine runder Tisch und auch drei oder vier Sessel. Das Schlafzimmer
war noch von seiner Frau. Da müssen sie eine guten Schreiner gehabt
haben, der ein so schönes Schlafzimmer gemacht hat.
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79 |
Josef Friedrich: In seiner Wohnung waren
dann sicher viele Noten? |
80 |
Barbara Essigmann: Ja, freilich!
Da ist extra ein Schrank dagewesen, wo alle Noten drin waren. Alles weggekommen.
|
81 |
Josef Friedrich: Und seine Frau ist doch
recht früh gestorben, An was ist sie gestorben? |
82 |
Barbara Essigmann: Sie hatte Unterleibskrebs.
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83 |
Josef Friedrich: Was waren die Kinder von
August Högn für ein Jahrgang? |
84 |
Barbara Essigmann: Das weiß
ich nicht so genau. Gustl hat beim Sturm gelernt. Der Högn hat ihn
schon gemocht. Einmal waren wir bei einer Probe beim Högn, die Stadler
Hilde, Mathild und ich, Härtl Elle. Da hat der Högn gesagt:
„Jetzt kannst du mitsingen.“ „Nein, Papa, das mag ich nicht."
[... Gustls Kuppel, Wirtshausbesuch beim Zitzelsberger ....]
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85 |
Josef Friedrich: Hat August Högn auch
einen anderen Chor als den Ruhmannsfeldener Kirchenchor geleitet? |
86 |
Barbara Essigmann: Nein.
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87 |
Josef Friedrich: Hat August Högn auch
für andere Besetzungen, z. B. für eine Blaskapelle komponiert?
|
88 |
Barbara Essigmann: Das weiß
ich nicht. Ich glaube schon. Wenn wir mehr waren und die Bläser dabei
waren, sind wir in die Kirche gegangen. Dann har er zum Pfarrer Bauer
gesagt: „Heute Abend dürfen Sie nicht zusperren, heute kommt
der Chor.“ Dann haben wir bis um 10 Uhr geprobt und dann hat er dem
Pfarrer Bauer den Schlüssel rübergetragen. Högn hatte selbst
keinen Schlüssel. Wenn er gekommen ist, dann waren die Ministranten
da, da war schon offen.
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89 |
Josef Friedrich: Haben Sie Fotos vom Högn? |
90 |
Barbara Essigmann: Das muss ich
nachschauen, vielleicht an Fronleichnam mit dem Kirchenchor. An Fronleichnam
gab's zwei Prozessionen: Die erste zum Wilhelm raus und wieder rein.
Der hat der lange Gang geheißen. Die zweite Prozession war im Markt.
Da ist eine Blaskapelle mitgegangen und die ganze Zeit ist gesungen worden,
auch bei einer Beerdigung, aber alles in Latein. Jede Beerdigung ist durch
den Markt gegangen, zuerst runter und dann rauf und beim Holler haben
sie die Totentruhe abgeladen, wenn die Toten von Auswärts waren und
sie sind dann mit den Pferden weggefahren. Und dann ist der Pfarrer gekommen.
[... überfüllter Friedhof bei der Kirche ...] Der Sarg wurde
durch den Markt getragen und beim Birnbeck wieder zur Kirche. Der Sarg
war zuerst in der Kirche. Von der Kirche bis zum Friedhof ist alles gesungen
worden. Dann ist man wieder in die Kirche reingegangen und dann ist das
Requiem gewesen. Requien hat Högn ja so viele geschrieben. Und im
Mai war jeden Tag eine Maiandacht, dafür hat Högn immer Lieder
komponiert. Zuerst ist gebetet worden, dann war eine Messe und während
der Opferung ist dann immer ein Marienlied gesungen worden.
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91 |
Josef Friedrich: Bei den Marienlieder kommt
eine Sopran-Solo stimme vor. Wer hat die gesungen? |
92 |
Barbara Essigmann: Entweder die
Mathild oder ich mit der Mathild zusammen. Die Glasschröder Mathild
war eine gute Sängerin. Ich bin eigentlich nie zu spät gekommen,
aber wenn's sehr knapp war, dann bin in die zwei Treppen hoch gerannt,
jetzt könnte ich es nicht mehr, dann hat der Högn gesagt: „Das
wird einmal eine Himmelfahrt werden, wenn du mal in den Himmel kommst!"
Die Mathild war nie zu spät dran, die ist immer schon eine Viertelstunde
früher dagewesen.
|
93 |
Josef Friedrich: Kann ich Sie noch einmal
besuchen zu einem zweiten Interview, dann kann ich auch alte Noten von
Högn mitbringen? |
94 |
Barbara Essigmann: Ja natürlich.
Den Notenschrank hatte die Raster Resl über. Zuerst hat der Högn
geschaut, was wir singen. Dann hat er halt was aus dem Schrank genommen.
Dann ist die Raster Resl gekommen: „Nein, da haben wir was anders
heute.“ Und es ist nicht gesungen worden. Dann ist sie zum Schrank
gegangen und hat was raus genommen. Und dann hat der Högn gesagt:
„Was hast du denn wieder. Singen wir das nicht.“ „Nein,
das singen wir heute nicht.“ „Na, d'Res wieder!",
hat er dann gesagt. Sie hat praktisch bestimmt, was gesungen wird. Aber
an einen Feiertag hat er bestimmt. Aber die Res hat manchmal was anderes
gehabt und das hat er dann hingeschmissen. Dann hat die Raster Res gesagt:
„Ich muss immer den Blitzableiter machen". Dann hat sie die
Noten wieder zusammensammeln müssen. Der Högn und die Raster
Res haben schon gestritten. Wir haben auch bei den Bittgängen mitgehen
müssen, nach Gotteszell, Patersdorf, Achslach, aber da ist der Högn
mit dem Rad gefahren und hatte die Aktentaschen hinten am Fahrrad und
da haben wir gesungen auf den Kirchenchor. Da hatte der Högn seine
Noten dabei und bis wir in die Kirche gekommen sind, hat er schon auf
der Orgel gespielt. Dann ist er mit dem Fahrrad wieder heimgefahren, von
der Kirche raus, auf das Fahrrad rauf, die Aktentasche mit den Noten aufs
Fahrrad und wieder heim. In der Schule hat er dann irgendeinen Buben gesagt:
„Ihr haltet dann Schule, bis ich wieder heimkomme". Die Buben
haben dann aufgepasst, die sind dann die Lehrer gewesen. Da hat er meistens
zwei gehabt. „Die müssen aufpassen, eine Aufsatz schreiben,
bis ich wieder komme.“ Wir sind um sieben in den Bittgang fort und
zehn wieder heimgekommen, bis wir eine Rast und Brotzeit gemacht haben.
Um am Nachmittag ist der Högn auf die Jagd gegangen, jeden Tag. Er
hat sich das Gewehr umgehängt und ist fort.
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95 |
Josef Friedrich: Und wer hat dann das Fleisch
bekommen von der Jagd! |
96 |
Barbara Essigmann: Das hat er verkauft.
Der Schwannberger ist auch auf die Jagd gegangen. Die sind bis auf Allersdorf
gegangen zu jagen. Er hatte oft ein Reh im Rucksack, der Kopf hat rausgeschaut
und er hat es heimgefahren.
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97 |
Josef Friedrich: Högn hatte eine Haushälterin? |
98 |
Barbara Essigmann: Ja, die ist
zum ihm gekommen mit 12 Jahren, als seine Frau gestorben ist, als Köchin
und um den Haushalt zu führen. Ja, die ist auch alt geworden und
sie ist die ganze Zeit beim Högn gewesen. Die Rosl hat eine Tochter,
Mathilde. Die Mathilde ist jeden Sonntag beim Högn gewesen. Da haben
sie zu dritt gegessen. Der Högn, die Rosl und die Mathilde. [...
Mathilde Beischmied, Ossy Bühler, Franz Sattler ...] Der Sattler
war auch immer am Chor oben, er ist Tenor gewesen. [... Franz Sattler,
nächstes Interview ...] Der Holzfurtner hat ein paar Noten gehabt,
aber die sind auch weggekommen. Er hatte eine einzige Tochter. Die Stadler
Hilde hatte vielleicht auch was, die hat dann den Barezz geheiratet. Die
Stadler war eine Altsängerin, sie hatte einen Sprachfehler, hat mit
der Zunge angestoßen, aber das hat man im Singen nicht gemerkt.
Die hatte der Högn recht gemocht. Die Hilde ist nicht groß
gewesen und der Högn hatte sie immer zu ihm auf die Orgelbank sitzen
lassen. Wir waren eine eingeschworene Truppe (Zammgschworne). Die Hetzenecker
Maria habe ich vor kurzem auf dem Friedhof getroffen. Der Hetzenecker
Schos (Georg) war immer bei uns am Chor, er war Anwalt in Deggendorf.
Der alte Hetzenecker ist im Stuhl gesessen am Chor und der junge Hetzenecker
hat mitgesungen. [... Schröck Maria geb. Hetzenecker ...]
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