Nummer /interviews/2002-12-27_Barbara-Essigmann
Titel Interview mit Barbara Essigmann, 27.12.2002
Interview-Partner Barbara Essigmann
Geburtstag 1921-12-03
Todestag 2009-08-12
Alter 81
Beziehung zu Högn Schülerin und Sängerin unter August Högn
Ort Ruhmannsfelden
Datum 2002-12-27
Dauer 74
Wikicommons-Datei August_Högn_-_Interviews_02_Interview_mit_Barbara_Essigmann,_27.12.2003.ogg
aufgenommen true

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Josef Friedrich: Sie waren Sängerin im Kirchenchor unter August Högn?

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Barbara Essigmann: Ja, 34 Jahre lang. Als ich 14, 15 Jahre alt war, bin ich zum Högn in die Schule gekommen und dann hat er mich gleich zum Kirchenchor genommen.

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Josef Friedrich: Sie haben in der Schule gut singen können?

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Barbara Essigmann: Ja, ich war Sopran, habe aber auch Alt gesungen. Uns waren ja viele beim Kirchenchor. Die ganze Lehrerschaft. Der Kestlmeier noch. Das sind die alten Schullehrer gewesen, die sind alle in die Kirche gegangen.

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Josef Friedrich: Können Sie die Namen der Lehrer noch?

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Barbara Essigmann: Der Lehrer Schultz, der Lehrer Kestlmeier, die sind alle schon gestorben, ja der Lehrer Högn. Dann haben wir einen Chorregenten gehabt, der hat Schroll geheißen, aus Kollnburg, der hat Orgel gespielt und der Högn hat dann dirigiert. Der Chorregent Schroll ist in den 30iger Jahren gestorben und dann hat alles der Högn übernommen. Er hat dann Orgel gespielt und hat dann Takt gegeben. Wenn Sonntag oder Feiertag war, waren die Lehrer da und dann hat einer von ihnen Takt gegeben.

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Josef Friedrich: Kennen Sie sich noch an ein paar Chorsänger erinnern?

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Barbara Essigmann: Von den Alten: Holzfurtner, ein Schreiner, der Schwannberger, von den Lehrer: der Friedrich, Schultz und Kestlmeier. Die Lehrer waren alle am Kirchenchor. Sogar oft zweimal am Tag: In der Frühmesse und beim Hochamt. Die Frühmesse war um 7 und das Hochamt war um 10 Uhr. Chorsängerinnen hatten wir auch viele. Vier, fünf Sängerinnen waren immer da. Stadler Hilde war eine Alt-Sängerin. Die Raster Res war auch eine Alt-Sängerin. Die Hetzenecker Maria, sie lebt auch noch und wohnt jetzt in Deggendorf. Eine von Zachenberg, weiß aber ihren Namen nicht. Sopran-Sängerinnen waren: Glasschröder Mathild, ich, Frau Kaminkehrer Grassl, Hedi hat man sie genannt. Dann Grassl Nannerl, ist auch schon gestorben. Alt-Sängerin war Frau Lehrerin Ascherl, Stadler Hilde eine ganz gute Sängerin

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Josef Friedrich: Sie haben gesagt, sie haben 30 Jahre im Kirchenchor mitgesungen. Wann haben Sie dann genau aufgehört?

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Barbara Essigmann: Wie der Pfarrer Reicheneder gekommen ist, habe ich aufgehört. Da ist der Chor gewesen wie sonst auch und es war an einem Samstag kurz vor Weihnachten um 3 Uhr, da hat der Reicheneder dem Högn einen Brief geschrieben, dass er schon zu alt ist, er soll jetzt aufhören, er braucht ihn nicht mehr, er hat jetzt junge Sänger. [... Beischmied Karl und Verwandtschaft ...] Dann ist die Högn Rosl (Rosa Beischmied) gekommen, sie war die Köchin, und hat dann gesagt: „Komm schnell, der Herr sitzt auf dem Kanapee und kann nichts mehr sagen und er zittert so.“ Dann bin ich gleich zu ihm gegangen, Glasschröder Mathild war auch dabei. Es hat ihn ein bisschen getroffen. Am Vormittag hat ers ihm gesagt und am Abend hat es ihn schon getroffen. Aber der Schwannberger hat ihn sofort nach Regensburg gefahren zu einem Arzt. Der Arzt hat ihn gefragt: „Was sind Sie denn im Beruf gewesen.“ „Das ganze Leben war ich ein Schullehrer“ „Ach, was man da mit den Kindern mitmacht" „Nein, die Kinder haben mir gar nichts ausgemacht, ich bin immer gut mit ihnen ausgekommen, aber wir haben jetzt einen Pfarrer bekommen und nach 40 Jahren habe ich gehen müssen.“ Er hat nie ein Fünferl bekommen. Dann hat er uns das gesagt. Und ich sag es ihnen, seit dieser Zeit gehe ich an Weihnachten nicht mehr in die Kirche. Wir habe nichts gekommen für unsere Dienste, wir haben es zu Ehre Gottes gemacht.

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Josef Friedrich: Und wer wurde dann Nachfolger von August Högn?

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Barbara Essigmann: Das weiß ich gar nicht. Jetzt ist es Herr Lankes.

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Josef Friedrich: War nicht der Herr Danziger Nachfolger von August Högn?

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Barbara Essigmann: Der hat auch gehen müssen. Herr Danziger war Jude. Er war Tenor. Wie der Högn gegangen ist, ist es der Danziger noch gewesen, aber dann haben Sie gleich einen Chorregenten gekommen. Ich weiß aber nicht mehr, wer das war.

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Josef Friedrich: Man hört auch immer von einer Frl. Maria?

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Barbara Essigmann: Ja, Frl. Maria, die war nett. Sie hat immer das Altöttinger Blatt jeden Monat vorbeigebracht, die war einmalig. Der Reicheneder hat mich immer fleißig gegrüßt und hat den Hut gezogen und ich habe mir gedacht: „Leck mich am Arsch."

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Josef Friedrich: Können Sie sich an Werke von August Högn erinnern?

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Barbara Essigmann: Ja, er hat viele Messen komponiert, Marienlieder und alles. Da hab ich so viele gehabt, die habe ich alle hergeschenkt. Der Maria Hetzenecker in Deggendorf habe ich Noten gegeben und sie hat die Noten, als ganzen Chorsatz, dann an den Chorregenten Goller weitergegeben. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie sich dafür interessieren, hätte ich die Noten für Sie aufgehoben.

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Josef Friedrich: Ich habe ja doch einige Kompositionen von August Högn gefunden, darunter drei Messen z. B. die Josephs-Messe

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Barbara Essigmann: Ja, die Josephs-Messe. Die hat Högn für den alten Doktor Stern geschrieben.

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Josef Friedrich: Ich habe auch 2 Marienlieder von August Högn, Marienlied Nr. 3 und Marienlied Nr. 11. Waren die Marienlieder alle durchnummeriert?

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Barbara Essigmann: Ja, die waren alle durchnummeriert.

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Josef Friedrich: Und 4 Grablieder.

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Barbara Essigmann: Ja, an ein Grablied kann ich mich noch erinnern. „Ewige Ruhe schenkt der Herr seiner Seele“ und zum Schluss: „und ewige Ruhe gib er der Seele..." Ich weiß es nicht mehr. Da hat der Schwannberger auch manchmal mitgesungen. Er ist in der Beerdigung mitgegangen und hat eingesagt. Er hat ans Fenster geklopft und gesagt: „Babettl, um die und die Zeit ist Probe" Und dann sind wir da gewesen, da hat es gar nichts anderes gegeben. [... Rudolf Schwannberger ...]

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Josef Friedrich: Wann sind die Högn-Messen z. B. die „Laurentius"-Messe oder die „Mater-Dei"-Messe aufgeführt worden?

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Barbara Essigmann: Wahrscheinlich während des Krieges. Geschrieben hat Högn ja immer. Er ist vorm Fenster gesessen und hat geschrieben. Und wenn man gesagt hat: „Herr Rektor, was schreiben sie denn.“ „Ja, eine Messe brauchen wir wieder!"

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Josef Friedrich: Wo hat er denn dann eigentlich gewohnt?

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Barbara Essigmann: Wo jetzt die Firma Schwannberger drin ist. Dem Herrn Härtl hat das Haus früher gehört. Herr Härtl hat oben gewohnt und der Högn unten.

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Josef Friedrich: Vor der Straße aus hat man in August Högns Arbeitszimmer gesehen?

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Barbara Essigmann: Ja freilich! Da hat er das Fenster aufgemacht und dann gerufen: „Komm herein!" Und wenn man dann bei ihm im Haus war: „Was gibt es, Herr Rektor." „Da schaut her, jetzt hab ich wieder was geschrieben, das müssen wir bald probieren"

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Josef Friedrich: Und hatte er ein Klavier in seinem Zimmer?

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Barbara Essigmann: Ja, er hatte ein Klavier, und wenn dann eine Messe fertig war, ist in seine Wohnung zuerst der Sopran gekommen, dann der Alt, der Tenor und dann der Bass.

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Josef Friedrich: Sind dann auch alle zusammen in seine Wohnung gekommen?

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Barbara Essigmann: Nein, da sind wir dann in die Kirche gegangen zwischen 8 und 9 Uhr abends, sogar mit Musik, die zwei Rauscher-Buben mit Violinen, der Ludwig und der Siegfried. An Feiertagen waren die immer da.

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Josef Friedrich: Es gab aber noch mehr Musiker?

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Barbara Essigmann: Ja freilich. Die Musiker der bekannten Ruhmannsfeldener Blaskapelle, Heinrich Wiggerl, Schlagintweit Lorenz, Schwarz Sepp, er war Schuster und ist gefallen, Ebnet Erich, Kammerl Gang. Das war noch unter dem Pfarrer Bauer. Der ist ja so stolz gewesen, wenn Musiker da waren. Vor dem 10 Uhr Hochamt hat er dann zu uns Chorsänger oft gesagt: „Gell, überspringt mir fei was, sonst dauert es so lange! Die Leute müssen ja zum Schweinern heim.“ Als Belohnung gabs für die Chorsänger manchmal Obst aus dem Pfarrgarten. Da war er schon einmalig der Pfarrer Bauer. Ja, aber der Reicheneder hat dann den Högn ausgestellt. Da hat August Högn zu letzt nicht mehr recht reden können, wie es ihm getroffen hat.

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Josef Friedrich: Ist August Högn nach diesem Zwischenfall noch in die Kirche gegangen?

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Barbara Essigmann: Nein, überhaupt nicht mehr. Er hat auch nicht mehr richtig gehen können. Er hatte ein Stock und hat den Fuß nachgezogen.

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Josef Friedrich: Er hatte also einen Schlaganfall? Wann ist das genau passiert?

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Barbara Essigmann: Wie ihm Herr Reicheneder einen Brief geschrieben hat, dass er nicht mehr in die Kirche gehen braucht. [... ähnliche Schilderung des Vorfalls wie oben ...] Der Umgang am Kirchenchor war recht kameradschaftlich. Wir sind alle per Du gewesen. Wir habe auch zum Lehrer Kestlmeier „Valentin“ oder „Vali" gesagt. Am Chor war es dann immer ganz voll. Mit den Musikern waren wir viele Leute. Auch der rothaarige Lehrer Gruber hat mitgesungen. Er hat Tenor gesungen. Der Schwannberger und der Holzfurtner haben Bass gesungen. Und wenn keine Musiker mitgespielt haben, dann haben die Musiker mitgesungen. Ich glaube, dass wir oft dreißig Leute waren.

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Josef Friedrich: Ich habe mir die Kompositionen von August Högn angeschaut und es ist oft so, dass Blechbläser bei gewissen Stellen mit dem Chor mitspielen. Waren die Blechbläser da nicht zu laut?

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Barbara Essigmann: Nein, die haben sich zurückgehalten und Högn hat den Musikern manchmal auch eine Zeichen gegeben, wenn sie leiser spielen sollten.

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Josef Friedrich: Sind die Kirchenchorproben auch manchmal im Pfarrheim abgehalten worden?

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Barbara Essigmann: Im Pfarrheim nicht, weil es das Pfarrheim damals noch gar nicht gegeben hat. Damals war das Pfarrheim noch ein Stall. Wir haben zuerst beim Högn jede Stimme einzeln in seinem Arbeitszimmer geprobt. Im dem Zimmer war ein Klavier, sein Bett, ein Tisch mit Stühlen und ein Bild von seinen Eltern. Manchmal waren auch Sängerinnen aus Patersdorf da.

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Josef Friedrich: Wann fanden die Proben mit den kompletten Chor statt?

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Barbara Essigmann: Nach den Proben für jede einzelne Stimme, sind wir mit dem ganzen Chor in die Kirche gegangen.

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Josef Friedrich: Hat man nur auf bestimme Anlässe hin geprobt oder wurde regelmäßig z. B. jede Woche geprobt.

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Barbara Essigmann: Nein. Man hat geprobt, wenn Högn etwas komponiert hat. Högn ist zu mir gekommen und hat ans Fenster geklopft und gesagt: „Gell, Babettl, am Nachmittag kommst du. Ich hab wieder was komponiert, das musst du gleich probieren."

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Josef Friedrich: Sind auch Werke von anderen Komponisten aufgeführt worden?

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Barbara Essigmann: Eigentlich nicht. Nur seine Werke.

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Josef Friedrich: Hat er auch bei einem Gottesdienst, bei dem nicht der Kirchenchor gesungen hat, Orgel gespielt?

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Barbara Essigmann: Nein, das gabs noch nicht. Aber er war immer da und hat jeden Tag in der Früh zur Messe Orgel gespielt.

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Josef Friedrich: Hat sonst noch jemand Orgel gespielt außer Högn?

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Barbara Essigmann: Ja, den Herr Danziger weiß ich noch und den Herrn Schroll, er ist mit 36 Jahren an Lungenentzündung gestorben. Sonst war keiner mehr da, der Orgel gespielt hat. Da war immer er da und dann hat er so gehen müssen. „Ich hab meine Pflicht getan“ hat er gesagt, „der Herrgott wirds schon wissen.“ Dann hat er geweint, weil er nicht mehr in die Kirche gehen darf.“ Er hat jetzt vierzig Jahre Dienst gemacht, jetzt darf er zu Hause bleiben.“ Das ist eine Gemeinheit gewesen vom Pfarrer Reicheneder.

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Josef Friedrich: Und haben Sie August Högn nach seiner Entlassung öfter besucht?

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Barbara Essigmann: Ja, wir sind jeden Tag zum August Högn gegangen. [... Ähnliche Schilderung wie 30 ...] Er hat ja viel komponiert. Ich weiß nicht, wo diese Sachen hingekommen sind. Es ist viel verloren gegangen. Mathild und ich sind sogar in die Kirche gegangen, wie Högn den Brief bekommen hat, und haben alles mitgenommen, was vom Högn da war und haben es seiner Köchin Rosl gegeben: „Rosl heben sie das gut auf, das ist noch vom Herrn.“ Und die Rosl hat das wieder in die Kirche rein getragen und dann ist das verloren gegangen.

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Josef Friedrich: Ja einige Kompositionen waren aber trotzdem in der Kirche aufzufinden. Haben Chorsänger ihre Stimme mit nach Hause bekommen?

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Barbara Essigmann: Nein, wir haben nichts mit nach Hause bekommen, das ist alles im Kasten geblieben. Zuletzt (nach Högns Entlassung als Chorregent) haben wir ein paar Messen von Högn, darunter eine Josephi-Messe, mitgenommen und der Hetzenecker Maria gegeben, sie soll es ihrem Chorregent in Deggendorf, Goller hat er geheißen, geben. Der hat viel bekommen. August Högn hat ja den Goller auch gekannt. Goller ist oft nach Ruhmannsfelden gekommen, da hat er immer den Högn besucht. Die waren ja beide Deggendorfer. Die haben sich ja gekannt von der Jugend her schon. August Högn ist oft während der Schule nach Deggendorf gefahren. Da haben wir Schule halten müssen, bis er wieder gekommen ist. Da hat ihn ein Chauffeur vom Schwannberger gefahren. Der alte Högn (von der Buchhandlung) und er, das waren ja Brüder. Da hat er alles bekommen, was er gebraucht hat, Blätter und Notenpapier und dann hat er natürlich wieder geschrieben.

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Josef Friedrich: An was ist August Högn gestorben?

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Barbara Essigmann: Der war ja weit in den Achtzigern. An Altersschwäche.

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Josef Friedrich: War er lange vor seinem Tod schon krank oder ist er plötzlich gestorben?

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Barbara Essigmann: Das ist plötzlich gekommen. Er hat halt den rechten Fuß nachgezogen, aber wenn man dazugekommen ist, hat er sich mit dem Arm bei mir eingehängt und hat oft gesagt: „Ein bisschen geht es schon noch, wenn auch nicht mehr so wie früher.“ „Ja, ja Herr Rektor, Hauptsache noch ein bisschen.“ „Aber recht lange wird es nicht mehr dauern." „Nein, nein, lassen Sie bloß nicht den Stock aus der Hand." „Ja, du hast schon Recht.“ Wie der Högn gestorben ist, war das für mich, wie wenn mein Vater gestorben wäre.

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Josef Friedrich: Gab es dann eine große Beerdigung?

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Barbara Essigmann: Da waren uns fünf. Er ist nach Deggendorf überführt worden, weil dort auch seine Frau beerdigt worden ist. Da waren keine drei Leute bei der Überführung. Von der Schule war er weg, die Jungen haben ihn überhaupt nicht gekannt und wer geht von den Alten noch. Da waren die Glasschröder Mathild und ich und die Frau Härtl, vom Sekretär Härtl, denen das Haus gehört hat und noch eine oder zwei andere. Und dann sind wir mitgegangen bis zum Kramhöller Michal und dann ist das Auto weggefahren. Die Beerdigung war in Deggendorf, da sind uns ein Paar gewesen von Ruhmannsfelden. Aber da waren auch keine fünf, sechs Leute. Wer ist denn nach Deggendorf gefahren in die Beerdigung? Ich Ruhmannsfelden war gar nichts. Der Reicheneder hat ihm nichts gehalten. Der hat es dann doch gemerkt, was er getan hat: Einen solchen Mann tut man ja nicht von der Kirche weg, wenn er auch den Fuß etwas nachgezogen hat. Wie uns Högn den Brief hingelegt hat, hat er gesagt: „Jetzt muss ich euch was zeigen: Ich habe böse Buben gehabt in der Schule, aber ich habe keinen gehaut, aber der (Pfarrer Reicheneder) hat mich von der Kirche rausgeworfen. Da war er so erledigt, da hat er, meine ich, oft in der Nacht geweint. Das kann man sich gar nicht vorstellen, was dieser Mann mitmachen hat müssen. Der ist ja aufgewachsen in der Kirche. „Ich bin in Deggendorf gewesen und dann bin ich nach Ruhmannsfelden gekommen“ und er hat sofort den Kirchenchor übernommen, weil er lauter Musik war, „und der Lackel hat mich jetzt rausgeschmissen." Wenn man sich das vorstellt, dass ein Lehrer sagt „der Lackel." „Den Brief“ hat er gesagt, „stecke ich mir hinter den Spiel, den hebe ich mir auf.“ Wir haben immer gesagt: „Tun sie den Brief weg, vergessen sie es.“ „Nein", hat er gesagt, „dass kann man nicht vergessen. 40 Jahre war ich auf dem Chor und der Lackel hat mich rausgeschmissen."

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Josef Friedrich: August Högn hatte zwei Kinder?

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Barbara Essigmann: Die Frieda und der Gustl. Der Mann von der Frieda war Oberbürgermeister von Bayreuth und der ist jedes Weihnachten gekommen. Der Högn hat dann immer gesagt: „Mädchen kommt, am Abend ist der .... wie hat er jetzt seinen Schwiegersohn, den Oberbürgermeister von Bayreuth genannt? Die waren ja wie zusammengeschweißt. Der Schwiegersohn hat den Vater gemocht und der Vater den Schwiegersohn. Am heiligen Abend ist er dann wieder heimgefahren und am 2. Weihnachtsfeiertag war er wieder da, der Schlumprecht.

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Josef Friedrich: Hatte Frau Schlumprecht dann Kinder?

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Barbara Essigmann: Ja, die Lilo ....., das weiß ich jetzt nicht mehr.

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Josef Friedrich: Hat nicht eine Tochter Inge geheißen?

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Barbara Essigmann: Das war die Tochter vom ersten Mann, dem Bierbrauer Hans Kroiß aus Deggendorf, der ist recht reich gewesen. Die Frieda hat sich dann scheiden lassen. Die Högn Frieda hat dann die Inge ledig gehabt. Sie hat dann den Rechtsanwalt Schlumprecht geheiratet, der ist lange in Bayreuth gewesen. Die Inge hat sich mit ihrer Mutter nicht verstanden. Wie der Umsturz war, sind da kistenweise Möbel gekommen, Pelzmäntel und Kleider, was sie halt alles noch fortschaffen konnten, bevor die Amerikaner gekommen sind. Mathild und ich haben geholfen und haben die Kisten im Pfarrhof im Stall hinaufgetragen, da haben die Amerikaner es doch nicht so erwischt. Später, wie es wieder normal war, haben sie es wieder geholt. Und weiß ich, als Inge so 13, 14 Jahre alt war, hat sie zum Großvater gesagt: „Großpapa, lass mich reinschauen, was in den Kisten von meiner Mama drin ist.“ Dann hat sich die Inge einen Pelzmantel und paar Kleider herausgenommen: „Das lass ich mir ändern."

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Josef Friedrich: Und die Inge habe Sie auch gut gekannt?

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Barbara Essigmann: Ja, die Inge war ja lange da in Ruhmannsfelden. Wie Frieda vom Kroiß weg war und beim Schlumprecht war, hat der Högn die Inge zu sich genommen. Die Inge ist hier in die Schule gegangen. Sie war ja lauter Opa.

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Josef Friedrich: Und dann war noch ein Sohn da, der Gustl?

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Barbara Essigmann: Ja, der Gustl. Er war verheiratet mit einer schönen Frau und hatte auch Kinder. Der Frau ist eine große Schublade auf den großen Zeh gefallen und sie hat daran sterben müssen. Dann hat er die 2. Frau geheiratet, das war von der ersten Frau die Cousine. Die haben eine große Gärtnerei gehabt, da bei Bayreuth oder Kronach. Aber die Ehe ist nichts gewesen. Der Högn Gustl war ein Luftikus. Wenn Fasching war, war der Högn Gustl dabei. Da hat der alte Högn gesagt: „Da ist er der erste, aber in der Schule war er saudamm.“ Er war ein Schlosser. Er war Pilot bei den Fliegern im 2. Weltkrieg. Zwei Mal ist er abgeschossen worden und jedes Mal ist er wieder durchgekommen.

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Josef Friedrich: Und wer hat die Wohnung vom August Högn nach seinem Tod ausgeräumt?

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Barbara Essigmann: Das weiß ich nicht mehr. Die Högn Rosl (Rosa Beischmied) hat dann manches weggegeben. Der Sauermann Franz hat das Kanapee gekommen und zwei oder drei Stühle. Der Sauermann Franz hat ja nebenan gewohnt. Der Högn hat schöne Möbel gehabt.

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Josef Friedrich: War es eine schöne Wohnung?

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Barbara Essigmann: Ja, er hatte eine Küche, da war ein schöner Diwan drin, ein Küchentisch, drei Sessel und ein Küchenschrank und eine Kredenz. Die Küche war nicht groß. Im Wohnzimmer hat er geschlafen. Da war's Klavier drin, eine runder Tisch und auch drei oder vier Sessel. Das Schlafzimmer war noch von seiner Frau. Da müssen sie eine guten Schreiner gehabt haben, der ein so schönes Schlafzimmer gemacht hat.

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Josef Friedrich: In seiner Wohnung waren dann sicher viele Noten?

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Barbara Essigmann: Ja, freilich! Da ist extra ein Schrank dagewesen, wo alle Noten drin waren. Alles weggekommen.

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Josef Friedrich: Und seine Frau ist doch recht früh gestorben, An was ist sie gestorben?

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Barbara Essigmann: Sie hatte Unterleibskrebs.

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Josef Friedrich: Was waren die Kinder von August Högn für ein Jahrgang?

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Barbara Essigmann: Das weiß ich nicht so genau. Gustl hat beim Sturm gelernt. Der Högn hat ihn schon gemocht. Einmal waren wir bei einer Probe beim Högn, die Stadler Hilde, Mathild und ich, Härtl Elle. Da hat der Högn gesagt: „Jetzt kannst du mitsingen.“ „Nein, Papa, das mag ich nicht." [... Gustls Kuppel, Wirtshausbesuch beim Zitzelsberger ....]

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Josef Friedrich: Hat August Högn auch einen anderen Chor als den Ruhmannsfeldener Kirchenchor geleitet?

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Barbara Essigmann: Nein.

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Josef Friedrich: Hat August Högn auch für andere Besetzungen, z. B. für eine Blaskapelle komponiert?

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Barbara Essigmann: Das weiß ich nicht. Ich glaube schon. Wenn wir mehr waren und die Bläser dabei waren, sind wir in die Kirche gegangen. Dann har er zum Pfarrer Bauer gesagt: „Heute Abend dürfen Sie nicht zusperren, heute kommt der Chor.“ Dann haben wir bis um 10 Uhr geprobt und dann hat er dem Pfarrer Bauer den Schlüssel rübergetragen. Högn hatte selbst keinen Schlüssel. Wenn er gekommen ist, dann waren die Ministranten da, da war schon offen.

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Josef Friedrich: Haben Sie Fotos vom Högn?

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Barbara Essigmann: Das muss ich nachschauen, vielleicht an Fronleichnam mit dem Kirchenchor. An Fronleichnam gab's zwei Prozessionen: Die erste zum Wilhelm raus und wieder rein. Der hat der lange Gang geheißen. Die zweite Prozession war im Markt. Da ist eine Blaskapelle mitgegangen und die ganze Zeit ist gesungen worden, auch bei einer Beerdigung, aber alles in Latein. Jede Beerdigung ist durch den Markt gegangen, zuerst runter und dann rauf und beim Holler haben sie die Totentruhe abgeladen, wenn die Toten von Auswärts waren und sie sind dann mit den Pferden weggefahren. Und dann ist der Pfarrer gekommen. [... überfüllter Friedhof bei der Kirche ...] Der Sarg wurde durch den Markt getragen und beim Birnbeck wieder zur Kirche. Der Sarg war zuerst in der Kirche. Von der Kirche bis zum Friedhof ist alles gesungen worden. Dann ist man wieder in die Kirche reingegangen und dann ist das Requiem gewesen. Requien hat Högn ja so viele geschrieben. Und im Mai war jeden Tag eine Maiandacht, dafür hat Högn immer Lieder komponiert. Zuerst ist gebetet worden, dann war eine Messe und während der Opferung ist dann immer ein Marienlied gesungen worden.

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Josef Friedrich: Bei den Marienlieder kommt eine Sopran-Solo stimme vor. Wer hat die gesungen?

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Barbara Essigmann: Entweder die Mathild oder ich mit der Mathild zusammen. Die Glasschröder Mathild war eine gute Sängerin. Ich bin eigentlich nie zu spät gekommen, aber wenn's sehr knapp war, dann bin in die zwei Treppen hoch gerannt, jetzt könnte ich es nicht mehr, dann hat der Högn gesagt: „Das wird einmal eine Himmelfahrt werden, wenn du mal in den Himmel kommst!" Die Mathild war nie zu spät dran, die ist immer schon eine Viertelstunde früher dagewesen.

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Josef Friedrich: Kann ich Sie noch einmal besuchen zu einem zweiten Interview, dann kann ich auch alte Noten von Högn mitbringen?

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Barbara Essigmann: Ja natürlich. Den Notenschrank hatte die Raster Resl über. Zuerst hat der Högn geschaut, was wir singen. Dann hat er halt was aus dem Schrank genommen. Dann ist die Raster Resl gekommen: „Nein, da haben wir was anders heute.“ Und es ist nicht gesungen worden. Dann ist sie zum Schrank gegangen und hat was raus genommen. Und dann hat der Högn gesagt: „Was hast du denn wieder. Singen wir das nicht.“ „Nein, das singen wir heute nicht.“ „Na, d'Res wieder!", hat er dann gesagt. Sie hat praktisch bestimmt, was gesungen wird. Aber an einen Feiertag hat er bestimmt. Aber die Res hat manchmal was anderes gehabt und das hat er dann hingeschmissen. Dann hat die Raster Res gesagt: „Ich muss immer den Blitzableiter machen". Dann hat sie die Noten wieder zusammensammeln müssen. Der Högn und die Raster Res haben schon gestritten. Wir haben auch bei den Bittgängen mitgehen müssen, nach Gotteszell, Patersdorf, Achslach, aber da ist der Högn mit dem Rad gefahren und hatte die Aktentaschen hinten am Fahrrad und da haben wir gesungen auf den Kirchenchor. Da hatte der Högn seine Noten dabei und bis wir in die Kirche gekommen sind, hat er schon auf der Orgel gespielt. Dann ist er mit dem Fahrrad wieder heimgefahren, von der Kirche raus, auf das Fahrrad rauf, die Aktentasche mit den Noten aufs Fahrrad und wieder heim. In der Schule hat er dann irgendeinen Buben gesagt: „Ihr haltet dann Schule, bis ich wieder heimkomme". Die Buben haben dann aufgepasst, die sind dann die Lehrer gewesen. Da hat er meistens zwei gehabt. „Die müssen aufpassen, eine Aufsatz schreiben, bis ich wieder komme.“ Wir sind um sieben in den Bittgang fort und zehn wieder heimgekommen, bis wir eine Rast und Brotzeit gemacht haben. Um am Nachmittag ist der Högn auf die Jagd gegangen, jeden Tag. Er hat sich das Gewehr umgehängt und ist fort.

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Josef Friedrich: Und wer hat dann das Fleisch bekommen von der Jagd!

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Barbara Essigmann: Das hat er verkauft. Der Schwannberger ist auch auf die Jagd gegangen. Die sind bis auf Allersdorf gegangen zu jagen. Er hatte oft ein Reh im Rucksack, der Kopf hat rausgeschaut und er hat es heimgefahren.

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Josef Friedrich: Högn hatte eine Haushälterin?

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Barbara Essigmann: Ja, die ist zum ihm gekommen mit 12 Jahren, als seine Frau gestorben ist, als Köchin und um den Haushalt zu führen. Ja, die ist auch alt geworden und sie ist die ganze Zeit beim Högn gewesen. Die Rosl hat eine Tochter, Mathilde. Die Mathilde ist jeden Sonntag beim Högn gewesen. Da haben sie zu dritt gegessen. Der Högn, die Rosl und die Mathilde. [... Mathilde Beischmied, Ossy Bühler, Franz Sattler ...] Der Sattler war auch immer am Chor oben, er ist Tenor gewesen. [... Franz Sattler, nächstes Interview ...] Der Holzfurtner hat ein paar Noten gehabt, aber die sind auch weggekommen. Er hatte eine einzige Tochter. Die Stadler Hilde hatte vielleicht auch was, die hat dann den Barezz geheiratet. Die Stadler war eine Altsängerin, sie hatte einen Sprachfehler, hat mit der Zunge angestoßen, aber das hat man im Singen nicht gemerkt. Die hatte der Högn recht gemocht. Die Hilde ist nicht groß gewesen und der Högn hatte sie immer zu ihm auf die Orgelbank sitzen lassen. Wir waren eine eingeschworene Truppe (Zammgschworne). Die Hetzenecker Maria habe ich vor kurzem auf dem Friedhof getroffen. Der Hetzenecker Schos (Georg) war immer bei uns am Chor, er war Anwalt in Deggendorf. Der alte Hetzenecker ist im Stuhl gesessen am Chor und der junge Hetzenecker hat mitgesungen. [... Schröck Maria geb. Hetzenecker ...]